Sauerteig

Einleitung

Gibt man in die Google-Suche das Stichwort Sauerteig ein, werden ungefähr 2.020.000 Ergebnisse gefunden.

Die meisten Einträge befassen sich mit Anleitungen zur Herstellung eines eigenen Sauerteigs und daraus folgende Rezepte. Die Anzeige eines Bäckers erscheint nicht mal auf der ersten Seite.

Es gibt also zahlreiche Seiten und Blogs, in denen mehr oder weniger tief in die Welt des Sauerteigs eingegangen wird. Die meisten bieten zahlreiche Rezepte zum Brotbacken und Tipps zur Pflege des eigenen Sauerteigs. Daher wird dies bei mir nicht zu finden zu sein. Dafür verweise ich auf die bereits vorhanden Seiten. Hier wären als meine Favoriten zu nennen:

und noch was zum Hören:

Wie gesagt, natürlich gibt es im Internet noch viel viel mehr dazu, aber da kann jeder selber weiter stöbern.

Was ist eigentlich Sauerteig?

Ich möchte an dieser Stelle ein paar Einblicke in die Wissenschaft des Sauerteigs geben. Dafür starte ich am besten erst mal mit der Definition des Sauerteigs:

Definition Sauerteig nach den Leitsätzen für Brot und Kleingebäck der Lebensmittelbuchkommission

1.11 Sauerteig

Sauerteig ist ein Teig, dessen Mikroorganismen (z.B. Milchsäurebakterien, Hefen) aus Sauerteig oder Sauerteigstartern sich in aktivem Zustand befinden oder reaktivierbar sind. Sie sind nach Zugabe von Getreideerzeugnissen und Wasser zur fortlaufenden Säurebildung befähigt.

Teile eines Sauerteiges werden als Anstellgut für neue Sauerteige verwendet. Die Lebenstätigkeit der Mikroorganismen wird erst durch Backen oder Heißextrudieren beendet. Die Säurezunahme des Sauerteigs beruht ausschließlich auf dessen Gärungen. Den Säuregehalt (Säuregrad) beeinflussende Zutaten, ausgenommen Sauerteigbrot, werden nicht verwendet.

Sauerteigführung

Als Lebensmittelchemikerin, die noch dazu auf einem Getreidethema promoviert hat, kann ich es mir nicht nehmen lassen, etwas von den Detmolder Kollegen der Anstalt für Getreideforschung https://www.agfdt.de/ weiterzugeben.

Als kleinen Einstieg habe ich hier erst mal 2 Schaubilder der schnellen und der langsamen Sauerteigführung, die mir erst kürzlich wieder beim Durchblättern der Mikrobiologie-Vorlesungsunterlagen von Dr. Theo Smaczny in die Hände gefallen sind.

Was macht einen Sauerteig aus?

Natürlich die Mikroflora, also das Zusammenleben verschiedenster Mikroorganismen vornehmlich der Gattung Lactobacillus (Milchsäurebakterien) und Saccharomyces (Hefen), aber auch noch weiteren Hefen wie Candida, Pichia, Torulopsis.

Um mal einige beim Namen zu nennen: Lactobacillus acidophilus, L. casei, L. plantarum, L. farciminis, L. brevis, L. brevis var. lindneri, L. Fermentum, L. Fructivorans, Candida krusei, Pichia saitoi, Saccharomyces cerevisiae, Torulopsis holmii.

Herr Spicher hat sich in den 1980igern sehr intensiv mit der mikrobiologischen Zusammensetzung des Sauerteigs befasst:

Warum heißt es eigentlich Sauerteig?

Was sind die Säuren, die den Sauerteig sauer machen?Es sind die Stoffwechselprodukte der Milchsäurebakterien und Hefen, also Milchsäure und Essigsäure.

Die pH-Toleranz beträgt je nach Hefetyp 3,6 – 5,6 und die Temperaturtoleranz 20 – 50 °C. Hierbei gilt, je niedriger der pH, desto niedriger muss die Temperatur sein, um die Stoffwechselaktivität aufrecht zu erhalten.

Und was ist der Unterschied zur Bierherstellung?

Im Bier produzieren die Hefen Ethanol und CO2. Dies geschieht durch den Stoffwechselprozess der anaeroben Gärung. Hier wird Glucose in der Glycolyse zu Pyruvat und dann weiter zu Ethanol und CO2 abgebaut.

Bei der Sauerteigfermentation tritt das Pyruvat in den Citronensäurecyclus über. Dieser Stoffwechselprozess zählt zur aeroben Atmung und liefert die kurzkettigen organischen Säuren des Citronensäurecyclus wie Essigsäure, Milchsäure usw. und natürlich auch wieder CO2.

Das Aroma eines Sauerteiges

Der Sauerteig ist nicht nur wichtig, um uns die Getreidebestandteile besser zugänglich und verträglich zu machen, sondern auch für die Bildung zahlreicher Aromastoffe.

Aromastoffe sind in der Regel kleine Moleküle, denn nur so können sie von unserer Nase wahrgenommen werden, also Geruchs- oder Geschmacks-aktiv sein. Dafür müssen die langkettigen Kohlenhydrate und Proteine abgebaut werden. Zum Beispiel liefert die Proteolyse die Aminosäuren Leucin, Alanin, Valin, Isoleucin, Glutaminsäure, Glutamin, Arginin, Lysin, Methionin, Phenylalanin, Tyrosin und Serin.

Spicher, G., Nierle, W. Die Mikroflora des Sauerteiges. Z Lebensm Unters Forsch 178, 389–392 (1984).
https://doi.org/10.1007/BF01042234

Da haben wir also auch schon ein paar Aromastoffkandidaten dabei: Methionin riecht nach gekochten Kartoffeln, Glutaminsäure kennt mittlerweile auch schon jeder als Glutamat, Chinagewürz mit dem Geschmack umami also würzig, vom Phenylalanin ist zum Phenylacetaldehyd nicht mehr weit, das honigartig riecht bzw. schmeckt.

Hier werden noch mehr Aroma-aktive Substanzen aufgeführt: https://www.brotundbackwaren.de/heftinhalte/article_arch_8059.html

Mein Roggensauerteig oder genauer mein Roggensauer-Anstellgut:

Roggensauer

Geruch: wie ein fruchtiges Hefeweißbier mit den typischen Noten nach Banane, Birne etc.

Weizensauerteig – Anstellgut

Weizensauer

Geruch: saurer als der Roggensauerteig, dezenter, erinnert etwas an Melone.

Patent

Es gibt ja eigentlich für alles ein Patent, also auch für Sauerteig!

In diesem Patent geht es um die Herstellung eines Sauerteiges aus einer Mischung aus hetero- und homofermentativen Milchsäurebakterien, um sowohl eine kräftige Säure als auch zahlreiche angenehme Aromastoffe zu generieren, die die Säure wieder abmildern.

Verfahren zur Herstellung eines Sauerteiges unter Verwendung von Milchsäurebakterien, dadurch gekennzeichnet, dass der Teigmasse zur Herstellung des Sauerteiges eine adaptierte Mischflora aus hetero- und homofermentativen Laktobazillen, welche durch „natürliche Reinzucht“ mittels wiederholter Kultivierungs- und Rekultivierungszyklen im Lebensmittel gewonnen werden, zugesetzt wird, wobei das Verfahren aus mehreren Stufen besteht, in denen in einer ersten Stufe eine adaptierte Mischflora (Starterkultur) aus heterofermentativen und homofermentativen Laktobazillen erzeugt wird, die in einer weiteren Verfahrensstufe (Hauptprozess) zur Herstellung eines Sauerteiges, vorzugsweise eines Typ-II-Sauerteiges mit hohen Säuregraden, eingesetzt wird, dessen Mikroflora zu 50% und mehr aus heterofermentativen und zu 50% und weniger aus homofermentativen Laktobazillen besteht.

https://patents.google.com/patent/EP1110458B1/de

Warum ist Roggenteig so klebrig und Weizenteig so schön fest?

Dies liegt hauptsächlich am Protein:

Weizen (Triticum aestivum) enthält etwas mehr Protein als Roggen (Secale cereale). Weizen enthält 10 – 19 % Protein, wovon 80 % das wasserunlösliche Klebereiweiß (Gluten) mit den Gliadinen und Gluteninen sind. Die restlichen 20 % sind Albumine und Globuline.

Dieser hohe Kleberanteil im Weizen ermöglicht es, sehr dehnbare elastische Teige herzustellen. Durch das Kneten des Teiges baut sich aus Gliadin und Glutenin ein stabiles Klebergerüst auf.

Aber auch noch ein paar Worte zur Stärke, denn das ist ja nun mal der Hauptbestandteil der Getreidekörner:

Die Weizenstärke setzt sich aus 17 – 28 % Amylose und 72 – 83 % Amylopektin zusammen.

In den Randschichten des Korns sind bereits die Enzyme α- und β-Amylase enthalten, die bei Wasserzugabe aktiviert werden und langsam die großen Stärkebausteine (Polysaccharide) zu den kleineren Zuckern abbauen und damit den Mikroorganismen die Nahrung liefern und die dann wiederum daraus Säuren, CO2 und Aromastoffe (Aldehyde, Ester) bilden.

http://www.tll.de/www/daten/untersuchungswesen/futtermittel_agrarproduktpruefung/pdf/baqua_2017.pdf


Einschub Weizenqualitäten

A-Weizen hat einen besonders hohen Proteingehalt und wird auch als Qualitäts- oder Aufmischweizen bezeichnet, B-Weizen, auch Brotweizen genannt, hat besonders gute Backeigenschaften. C-Weizen hat eine geringere Qualität, kann aber zusammen mit A-Weizen zur Qualitätstufe B-Weizen gemischt werden. E-Weizen (Eliteweizen) ist die höchste Qualitätsstufe und weist den höchsten Proteingehalt auf. Übrigens: Weizen für Brauzwecke soll einen Proteingehalt von maximal 12 % aufweisen. Also eher die niedrige Qualitätsstufe C.

Bei Roggen gibt es diese Qualitätseinstufungen nicht.


Roggen enthält einen höheren Anteil (7 – 9 %) an Pentosanen als Weizen. Pentosane haben ein gutes Quellvermögen, wobei sie Schleimstoffe bilden. Dabei verhindern sie allerdings die Ausbildung eines stabilen Klebergerüsts wie es beim Weizen gebildet werden kann.

Für die optimale Quellung im Teig wird ein saures Milieu benötigt. Dies hemmt auch die Aktivität der Stärke abbauenden Enzyme (Amylasen) und begünstigt so die Ausbildung und Erhaltung des Stärkegerüsts für die Krumenstruktur. Im Gegensatz zum Weizen basiert hier die Teigstruktur nämlich auf dem Stärkegerüst anstatt dem Proteingerüst.

Damit haben wir also die Erklärung, warum Roggenteig so klebrig ist und warum bei Roggen Sauerteig ein Muss ist.

https://www.muehlen.org/fileadmin/Dateien/8_Presse_Service/3_Publikationen/1_Dokumente/GMS-Kunde.pdf

http://www.agfdt.de/loads/ds10/lindback.pdf